"Entweder du nimmst ihn oder er wird eingeschläfert, ich nehm ihn nicht, ich fürchte mich vor dem.“
Das waren damals die Worte einer Tierschutzkollegin, als es um einen Azawakhrüden namens Amir ging, der sein Frauchen attackiert hatte und einen Pflegeplatz suchte.
Es ist völlig legitim, sich vor einem bissigen Hund zu fürchten und gut, wenn man das artikulieren kann und nicht einen auf cool, sich aber insgeheim in die Hose macht vor Angst - was der Hund natürlich sofort
merkt…
Ich schickte meine liebe Jacky mit der größten Transportbox los, die ich hatte. Die Züchterin, bei der Amir mittlerweile wieder war, bekam die Bitte, Amir mit einem Maulkorb, einem Halsband und einer Schleppleine auszustatten.
Also Jacky in der Wüste eintraf, saß ein missmutig dreinblickender Azawakh in der Kiste, der einen angenagten Pullover trug. Sonst nichts.
Also haben wir zwei diese riesige Box mit dem Azirüden ins Hundezimmer/Quarantänezimmer geschleppt, Jacky raus, ich vorsichtig die Box geöffnet und schnell raus, den Azi schon im Genick!
Die folgenden Tage waren sehr spannend. Ich taufte Amir um in Karl-Friedrich, frei nach Karl-Friedrich Börne vom Tatort, der genauso ein arroganter Snob war wie Amir mir vorkam
Damit ich nicht gebissen werde, staffierte ich mich aus mit dicken Schuhen und hielt mir ein Kopfkissen vor die Beine. Ich wollte den armen Kerl nicht provozieren aber auch nicht der unterwürfige Depp sein. Also, Futter hergerichtet, rechts die Schüssel in der Hand, links das Kopfkissen, Tür auf - Karl-Friedrich springt vom Sofa hoch und fletscht mich an, seine Augen funkeln böse: Hau ab!
Ich schaue ihn nicht an, gucke auf den Boden oder an die Wand, summe leise vor mich hin, gehe im Bogen in seine Richtung, Schüssel abstellen - der Moment, in dem man sich ja bücken muß… Karl-Friedrich startet einen Angriff, fliegt auf mich zu, beißt in das Kissen und rupft Teile raus. Ich sag irgendwas von Musst keine Angst haben, die Dödel, bekommst doch lecker Fresschen trallala…. er guckt doch ein wenig konsterniert, ich gehe rückwärts aus dem Zimmer, Tür zu. Geschafft.
Kackis einsammeln. Gleiches Spiel, Wasser auffüllen ebenso. Acht Tage später verteidigt er das Zimmer vehementer als anfangs. Mittlerweile acht Kopfkissen im Müll. Lagebesprechung mit Tierarzt und die Bitte nach Diazepam. Was wiegt der denn? Keine Ahnung, schätze mal nicht mehr als 28 Kilo, machen wir mal die Dosis für 25 Kilo? Ok. Tabletten ins Futter, Karl-Friedrich pennt eine Stunde später friedlich auf seinem Sofa, ich geh rein, Maulkorb übern Kopf, will eben hinten die Schnalle schließen, da wacht er auf und springt mir mitsamt dem Drahtmaulkorb ins Gesicht, blaues Auge.
Einen Tag später, so, du Spinner, ich hasse es, Hunde zu trennen, so geht das nicht weiter. Es ist März, ziemlich frisch draußen, sein Pulli hängt in Fetzen an ihm runter. Ich lasse die Zwischentüre zum Garten offen, in seinem Zimmer ist es warm, er müsste, um raus in den Garten zu gehen, erst aus dem Zimmer, dann über den Gang und dann raus in den Garten. Ich setze mich an den Gartentisch im Hof, mit dem Rücken zur offenen Tür, meine Hunde legen sich um mich herum in ihre Kissen, die Windspiele denken, die Alte spinnt und bleiben natürlich in ihrer warmen Küche, die Whippets liegen am Kachelofen unter ihren Felldecken.
Vier Stunden dauert es, dann kommt Karl-Friedrich bis an meinen Rücken, zum Schnuppern. Ich sage nichts, bleibe ruhig sitzen und stricke mit Eisfingern weiter. Das geht an dem Tag noch zigmal so, einmal sieht Joker ihn und sagt:Oh, ein Neuer, da muss ich mal eben Hallo sagen! Rennt los, ich rufe, nein Joker, bleib da! Zu spät, Joker ist schneller, schon im Hundezimmer, wo er mit einem fürchterlichen Gebrüll sofort wieder rausgejagt wird, hinter ihm Karl-Friedrich wie eine Schnapp-Schildkröte, Zack-Zack-Zack hört man sein Gebiss aufeinander schlagen. Puh, nix passiert dem kleinen Joker (meinem wunderbaren russischen Barsoi).
Dann stelle ich mir einen großen Besen an den Gartentisch. Für alle Fälle. Nicht um damit einen Hund zu verdreschen, Gott bewahre, nur zum Dazwischengehen, meine Arme und Beine brauche ich ja noch.
Drei Tage später, Karl-Friedrich trabt aus dem Zimmer an mir vorbei runter in den Garten. Ich schnappe mir den Besen und gehe langsam hinterher, spaziere um den Apfelbaum herum…. Da rennt er plötzlich los Richtung Haus, ich komm so schnell nicht hinterher, er rennt ins Haus, direkt in die Küche, das Hoheitsgebiet der Butzis!! Nein, er frisst sie nicht - denke ich!
Keine zwei Sekunden später rennt er schreiend wieder in den Garten, gefolgt von einem wütenden Enzo und ich muss doch lachen. Diese kleinen, verzogenen Butzis leiden einfach unter chronischem Realitätsverlust.
Der verunsicherte Karl-Friedrich schaut mich an und sagt, ok, ich kann mich evtl. an diese Irren gewöhnen…..
Das ist der Zeitpunkt, ihm einen richtigen Namen zu geben, ich nenne ihn Eddie. Und er hört ab der ersten Minute auf seinen neuen Namen.
In Folge hört er auch auf Eddiemännle, Eddie-Schnucki oder einfach Eddiele.
Unvergessen, er stellte meinen Sohn am Gartentor, er zwickte meinen Nachbarn in den Hintern, der einfach in den Garten latschte, wie er das bis dato immer tat. Danach hatte ich Ruhe. Eddie ging zu Besuchern, wenn sie dann mal am Tisch saßen, um sie anzustupsen: streicheln mich! Er mutierte zum besten Wanderbegleiter, den man sich vorstellen konnte, ich fühlte mich zu hundert Prozent sicher, wenn ich mit Eddie unterwegs war. Auch Zuhause, Eddie war einfach Eddie, ein stolzer, charaktervoller, supersensibler und einzigartiger Mitbewohner.
Er lief frei, hörte wie ein Schäferhund, jagte nichts, konnte an schreienden Kleinkindern vorbeigehen als wären sie Luft, er war absolut stubenrein, zog nie an der Leine, falls ich ihn mal dran hängte und ich dachte, wir zwei haben einen ganz besonderen Draht. Eine sehr enge Verbindung.
Dies war wohl nicht der Fall. Eines Morgens spuckte er sein komplettes Futter wieder aus, trank Wasser, auch das kam wieder zurück, ich fuhr zum Doc. Das große Blutbild ergab Schreckliches, seine Nierenwerte waren verheerend, das er überhaupt noch laufen kann. Sofortige Diät und zig Zusatzmittelchen halfen nicht, zehn Tage darauf mussten wir mein Eddiemännle erlösen. Ich war am Boden zerstört. Bin es immer noch. Kann es immer noch nicht fassen, wie kann das sein, sein Fell glänzte, mein Doc sagte beim Einschläfern: So ein schöner Hund. Eddie war gerade sieben geworden, das ist doch kein Alter! Einer meiner jüngsten in der Truppe. Ich hätte es doch merken müssen. Er ist ruhiger geworden, das habe ich aufs Alter geschoben. Ein stiller Tod, so eine chronische Niereninsuffizienz, sagte mein Doc, auch kein Trost.
Eddie ist am 15. Oktober gegangen.
Es ist so leer und still ohne ihn.
Ich werde ihn immer vermissen.